Moderne Regattaboote und gepflegte Oldtimer, die nach einem erlebnisreichen Segeltag friedlich Seite an Seite liegen: Nur die Vorfreude auf den nächsten Törn kann diesen Anblick noch übertreffen. Und wenn alle diese Boote derselben Klasse angehören würden? Der „Zugvogel“ macht es möglich!

Fahrtensegeln 2023: Ein Kielzugvogel erkundet die Wismarbucht (Foto: privat)

Historisch geht der Zugvogel auf ein Preisausschreiben der Zeitschrift Yacht zurück: Eine Wanderjolle sollte entworfen werden, die den Segelsport einem breiten Publikum zugänglich machen würde – ein vergleichsweise gutmütiges Freizeit- und Ausflugsboot also, das leicht zu bauen und zu transportieren war. Erst später entwickelte sich eine lebhafte Regattaszene, was sicherlich auf die hervorragenden Segeleigenschaften des Zugvogels zurückzuführen ist.

Gewinner des 1960 ausgeschriebenen Konstruktionswettbewerbs war der Hamburger Konstrukteur Ernst Lehfeld (1900–1969), der auch für den Entwurf des „Korsar“ bekannt ist. Beim Bau des Zugvogels kam zunächst Sperrholz zum Einsatz und das erste Exemplar, das jemals gebaut wurde, ist nach einer aufwendigen Restauration sogar wieder auf der Hamburger Außenalster unterwegs.

Später gingen die meisten Hersteller dazu über, glasfaserverstärkten Kunststoff (GfK) zu verwenden, und auch gemischte Exemplare mit Holzdeck und GfK-Rumpf sind zu finden. Am Gewicht änderte das nichts, denn die Vorschriften waren eng und sind es bis heute geblieben: Der Zugvogel ist eine nationale Einheitsklasse. So können ältere Zugvögel durchaus mit ihren Artgenossen neueren Baujahrs mithalten, was das gemeinsame Segeln zu einem großen Vergnügen macht.

Das Besondere am Zugvogel ist, dass er in zwei Varianten existiert: Die Knickspant-Jolle kann entweder mit einem aufholbaren Schwert oder mit einem Ballastkiel ausgestattet werden. Schon von weitem geben sich die beiden Gattungen am Segelzeichen zu erkennen: Die charakteristische Vogel-Silhouette, die im Großsegel über der Segelnummer zu sehen ist, wird beim „Kieler“ durch einen gefüllten schwarzen Kreis ergänzt. Der Kreis symbolisiert die Kielbombe, die unten am Kiel angebracht ist, um das Boot im Gleichgewicht zu halten.

Es gibt sogar Boote, die über beide Möglichkeiten verfügen und je nach Einsatzort umgerüstet werden können. Der Umbau ist allerdings relativ aufwendig und zieht weitere Änderungen, darunter insbesondere die Nutzung eines anderen Riggs (Mast und Segel), nach sich. Daher entscheiden sich die meisten Eigner für die Version, die besser zu ihrem jeweiligen Heimatrevier passt: Zugvogel mit Schwert für seichte Gewässer bzw. für einfaches Slippen ohne Kran, Zugvogel mit Kiel für mehr Beinfreiheit, größere Segelfläche und stabileres, kentersicheres Segeln.

SCHWERTZUGVOGELKIELZUGVOGEL
Länge über alles5,80 m5,80 m
Breite1,88 m1,88 m
Länge der Wasserlinie5,50 m5,50 m
Tiefgang0,25 m bis 1,10 m0,90 m
Verdrängung segelklarmind. 230 kgmind. 340 kg
Masthöhe6,80 m8,40 m
SegelflächeGroß 10,8 m² + Genua 7,2 m²Groß 11,5 m² + Genua 8,5 m²
Yardstick bis 1977109107
Yardstick ab 1978108106

Um die Boote untereinander und mit anderen Klassen vergleichbar zu machen, hat der Deutsche Seglerverband verschiedene Yardstick-Zahlen veröffentlicht: Bis Baujahr 1977 gelten die Faktoren 109 für den Schwertzugvogel bzw. 108 für den etwas schnelleren Kielzugvogel, ab 1978 Faktor 107 für den Schwertzugvogel und 106 für den Kieler (Stand: 2023). Ausschlaggebend war unter anderem, dass die Wanten bei den neueren Baujahren anders geführt werden. Mit der Zeit wurden auch immer komplexere Möglichkeiten zum Trimmen der Mast- und Segelstellung eingeführt, damit sportliche Segler noch während der Fahrt auf unterschiedliche Bedingungen reagieren können.

Spinnaker und Trapez kennt der Zugvogel allerdings nicht. So hat er seinen Charakter als gleichermaßen flotte wie praktische Wanderjolle bis heute bewahrt – das ideale Boot zum Wasserwandern unter Segeln.